Reisen

Meister Petz nimmt ein Bad

Gepostet am

Kürzlich an einem sonnigen Wochenende besuchte ich den relativ nahe gelegenen Tierpark Goldau. Tatsächlich war es so apokalyptisch heiß, dass sich sogar Meister Petz ein Bad genehmigte. Der Park öffnete 1925 seine Tore auf einem Gebiet, wo 1806 ein Bergsturz mit der unvorstellbaren Masse von 40 Millionen Kubikmeter Gestein die Dörfer Goldau, Röthen sowie Teile von Buosingen und Lauerz zerstörte – alles hübsch mysteriöse (zuweilen zungenbrecherische), aber mehr oder weniger bedeutungslose Namen. Viel bedeutungsvoller ist jedoch, was der Bergsturz anrichtete. Damaligen Zählungen zufolge wurden 457 Menschen und 323 Stück Vieh getötet, 111 Wohnhäuser, 2 Kirchen und 2 Kapellen sowie 220 Ställe und Scheunen in Schutt und Asche zerlegt oder weitaus treffender formuliert: dem Erdboden gleichgemacht. 206 Menschen gelten bis heute als vermisst und werden nach über 200 Jahren wohl auch nicht mehr auftauchen. Zudem berichteten Augenzeugen, dass eine 20 Meter hohe Flutwelle im Lauerzersee ausgelöst wurde. Was die wiederum anrichtete, kann sich jeder mit etwas Fantasie sehr gut selber ausmalen.

Von all dem Schrecken zeugen heute, 213 Jahre später, nur noch vereinzelte riesige Felsbrocken im Tierpark, die oft von dichtem Pflanzenwuchs verdeckt sind. In dieser Idylle kann der Gast sich etwa 100 heimische und europäische Tierarten ansehen und eintauchen in eine Landschaft, die richtiggehend zum Wandern einlädt. So holte ich mir denn auch viel gesunden Sauerstoff und einen weniger gesunden Sonnenbrand. Ich ärgerte mich über lautstarke Touristen, deren Verständnis von Erholung in unsagbar herrischem, durch den Park schallendem Geschrei liegt, wenn ihre Kinder gerade mal 3 Meter in Richtung eines Rehs eilen, um dieses mit riesigen Augen zu betrachten. Aber so ist es immer: des einen Staunen ist des andern Gram (ja, ihr lieben Eltern, traut euren Sprösslingen ruhig etwas mehr zu und gönnt ihnen die Freude an der Natur).

Ich kann einen Besuch im Park Goldau jedem ans Herz legen, der sich in der Gegend aufhält. Aber: Wenn es sich einrichten lässt, dann vermeidet Wochenenden und Feiertage. Das Flanieren im Park, die abenteuerliche Fütterung der Wölfe und Bären, der Genuss vom ungestörten Betrachten der Geier, Rehe und Wildschweine … Idylle entsteht erst, wenn man sich irgendwo ungestört hinsetzen und einfach Mal in Ruhe zuschauen kann, wie die Welt sich dreht und was so alles geschieht, wenn man sich mal ausklinkt.

Gedanken übers Reisen

Gepostet am Aktualisiert am

Eines jener Dinge, die fast alle Menschen verbinden, wir mir scheint, ist der neugierige Blick zum geographischen oder dem Erfahrungshorizont. Die Frage nach den Geheimnissen, die sich dahinter verbergen, und der Drang, eben jene Geheimnisse zu lüften, treibt uns vorwärts. Schon von Kindesalter an lockt der Wald und die Frage, was sich wohl darin verbergen mag. In urbanen Gegenden versprechen andere Stadtquartiere große Dinge von noch viel größerer Wichtigkeit. Mit dem älter werden gleitet der Blick in immer weitere Ferne, etwa in die scheinbar undurchdringliche Dichte eines Dschungels. Dort ersehnen wir uns den seltenen Anblick einer vom Aussterben bedrohten Tier- oder Pflanzenart. Hinter einer Bergkette in den Alpen vermuten wir in der Zeit stehengebliebene Dörfer, enge Bergschluchten sowie geheimnisumwitterte Seen. In der Wüste wähnt man gleich hinter dem Horizont eine idyllische Oase, an deren Wasserloch Kamele trinken. Und Gleiches gilt selbstverständlich für die Weltmeere, deren unbekannte Tiefe oder Weite mit Verheißung, sagenhaften Inseln, vielleicht Reichtum lockt. Egal, um welche Gegend es sich handelt … wir lieben die Geheimnisse und Möglichkeiten des Unbekannten. Und je abgelegener sie liegen, umso vielversprechender erscheinen sie.

Bei aller Freude am Reisen und Entdecken, muss eine Frage aber doch gestellt werden: Macht das in Anbetracht der Umweltverschmutzung, die die Fliegerei und Seereisen erzeugen, überhaupt Sinn? Können wir uns das im Hinblick auf eine gesicherte ökologische Zukunft leisten? Hier scheiden sich die Geister, es wird mit harten Bandagen gestritten, und auf den gesunden Menschenverstand wird praktisch ganz verzichtet. Die Diskussionen erinnern in ihrer Heftigkeit an die grenzenlosen Idiotien von Religions- und Veganfanatikern, denn die Wahrheit liegt wie immer irgendwo dazwischen. Alles was wir tun können, ist mit Verstand zu handeln, aber das ist nicht immer einfach.

Während Reisen in ferne Länder etwa das Verständnis für fremde Kulturen bilden, entsteht aus diesem Verständnis ein größeres Näherrücken … kulturelle Globalisierung eben, die eine solche fremde Kultur mit der Zeit verschwinden lässt. Reisen in exotische Länder lassen einen erkennen, wie viel Flora und Faune es gibt, die wir beschützen und erhalten sollten, da gewisse Pflanzen eben nur in ganz speziellen, leicht aus der Balance zu bringenden Habitaten gedeihen. Gleichzeitig fördern aber Flüge und Reisen mit Ozeandampfern die Umweltverschmutzung, die besagte Lebensräume gefährdet. Wir besteigen den Mount Everest, um einen persönlichen Horizont zu erreichen, der uns für den Rest des Lebens (hoffentlich zum Besseren) verändert. Dafür nehmen wir in kauf, dass diese gebirgige Landschaft immer mehr zur Müllhalde verkommt. Was also tun, wenn Vor- und Nachteile bestehen und diese sich vielleicht sogar die Waage halten?

An dieser Frage zerbrechen sich die Menschen die Köpfe, und selbstredend weiß auch ich keine endgültige Antwort darauf. Ohne dass dieser (ursprünglich kurz gedachte) Text jetzt ausartet, ein paar Ideen, wie ich die Sache zu handhaben versuche. Ich unternehme, so fern möglich, keine ein- oder zweitägigen Städtetrips mit Flugzeugen. Wenn ich Ferien mit dem Flugzeug mache, dann sind diese mindestens zwei Wochen lang, damit sich die Reise auch lohnt. Ich reise grundsätzlich nicht mit Ozeandampfern, obwohl mich die Idee fasziniert und lockt. Außerdem versuche ich so viel als möglich mit öffentlichen Verkehrsmitteln, zu Fuß oder mit dem Fahrrad zu erledigen. Klingt banal, ich weiß … aber es sind Dinge, die ich im Alltag umsetzen kann, ohne dass in mir das Gefühl von Verlust und Frustration entsteht. Und darum geht es: Wir müsse lernen zu verzichten, auf eine Art, die uns positiv und umsetzbar erscheint.

Die Schönheit der Dornen

Gepostet am

Ich gebe es zu … einen Trip nach Zürich (5 Minuten mit dem Bus, 35 mit der Bahn, danach ein Spaziergang von etwas mehr als einer halben Stunde am Seebecken entlang) als Reise zu bezeichnen ist etwas verwegen. Andererseits möchte ich aber anmerken, dass wir in einem Jahrzehnt leben, in dem Leute das Auto nehmen, wenn sie mal eben Brot oder Milch im Dorfladen um die Ecke einkaufen müssen. 10 Minuten zu fuss oder 3 Minuten mit dem Fahrrad sind eben zu grausam, als dass man dies irgend jemandem zutrauen könnte. Und damit das schlechte Gewissen noch getilgt wird, fahren die selben Leute später am Abend mit dem Auto ins Fitnessstudio, um sich dort mächtig ins Zeug zu legen. Anstelle der Treppe wird dann der Lift genommen … Ich nehme mir also ohne schlechtes Gewissen das Recht, meinen Trip als kleine Reise zu bezeichnen.

Vor einigen Jahren besuchte ich den Sukkulenten-Park auf Mallorca – angeblich der grösste Europas. Bis vor kurzem wusste ich nicht, dass es auch in Zürich einen Platz für die stacheligen, irgendwie ausserirdisch anmutenden Gewächse gibt, die mich schon immer faszinierten: die Sukkulenten-Sammlung am Mythenquai 88. Zwar ist besagte Sammlung nicht ganz so imposant wie der Park im weit entfernten Inselreich, aber sie bietet mit 6000 verschiedenen Exemplaren aus 78 Pflanzenfamilien doch mehr als genug, um sich die Zeit in sieben schwülen Gewächshäusern und einem kleinen Steingarten zu vertreiben und etwas zu lernen. Wenn man lediglich in Ruhe ein Buch lesen und etwas trinken will, kann man es sich auf einem Vorplatz auf einigen Stühlen und Bänken gemütlich machen. Der Eintritt ist erfreulicherweise frei. Über die Öffnungszeiten informiert man sich am besten online. Und wer einen Besuch wirklich in vollen Zügen geniessen will, sollte auf jeden Fall unter der Woche hingehen.

Ein kleines Stückchen Mond

Gepostet am Aktualisiert am

Gestern beendete ich die Story ‚Eisberg-Blues‘ nach einer Arbeitszeit von acht, vielleicht sogar neun Monaten. Ich staune selbst immer wieder, wie schnell die Zeit doch vergeht, wenn ich in meine Texte eintauche und Sätze hin und her schiebe, Wörter austausche und Metaphern ändere. Man könnte das fast schon als zu viel des Guten bezeichnen, habe ich doch auch schon die Lust an Texten verloren, weil ich nicht vorwärts kam. Aber so ist sie eben, meine Arbeitstechnik, und solange hin und wieder eine Geschichte das Licht der Welt erblickt ist alles gut.

Auf der Suche nach einer neuen Geschichte, an der ich arbeiten könnte, durchforstete ich im Anschluss meine drei Festplatten nach alten Storyfragmenten, Notizen, gesammelten Ideen und Bildern (ich lasse mich stimmungsmässig gerne von Fotografien und Gemälden inspirieren). Dabei stiess ich auf einige hundert Fotos, die ich Anfang des Jahres auf Teneriffa geschossen habe, und eine Tonne voll Erinnerungen an Ferien, die nicht ganz meinen ursprünglichen Plänen entsprachen.

Eigentlich wollte ich damals eine Woche intensiv Wandern gehen, bietet Teneriffa doch im nördlichen Teil herrliche Regenwälder und etliche Naturschutzparks – vor allem der Parque National del Teide, der auf über 2000 m Höhe den Vulkan Teide (3718 m) umgibt und über Dutzende von Kilometern Wandermöglichkeiten bietet. Die Aussicht auf den Teide war herrlich, da Schnee die Spitze bedeckte; und die ganze Landschaft, in der um diese Jahreszeit nicht viel blühte, glich einer Mondlandschaft, wie sie ästhetischer kaum sein kann. Egal um welche Jahreszeit es sich handelt … wenn ihr in der Nähe seid, dann nehmt euch die Zeit, um diesen herrlichen Nationalpark zu besichtigen.

Letzten Endes war das aber auch schon die einzige geplante Sache, die ich durchzog. Zwei Tage bevor ich ankam, kam nämlich auch eine Kältewelle an. Die üblichen 30 bis 35 Grad Celsius sanken auf sagenhaft miserable 12 bis 17 Grad Celsius, gepaart mit einem unglaublich kühlen Wind. Bei der oben erwähnten Wanderung (samt unglaublich beeindruckender Nachtwanderung) im Parque National del Teide erkältete ich mich schon am zweiten Tag der Ferien, was zu Fieber, Halsschmerzen und viel Tee führte. Trotzdem wagte ich mich anschliessend mit einer Gruppe noch in den Regenwald, doch plötzliche extreme Regenfälle machten das Wandern unmöglich. Und so führte ich meine Ferien dann im Hotel (mit Schreiben – auch ganz gut), diversen Kurztrips, Teetrinken in praktisch jedem Lokal der Ortschaft, viel Lesen und eben Fotografieren fort. Zwischendurch gönnte ich meinem gepeinigten Körper eine Massage, und der wohl weltbeste Inder sorgte für einzigartige kulinarische Genüsse. Auch nicht schlecht …

Für eine Handvoll Kaktus

Gepostet am Aktualisiert am

Mallorca KaktusVor nicht all zu langer Zeit reiste ich für zwei Wochen nach Mallorca um zu wandern, an einer Kurzgeschichte zu schreiben, im Pool zu schwimmen und meine Agentin beim Chinesen um die Ecke zu treffen. Und das Beste: Wie immer im Herbst waren da nur sehr wenige Touristen, die mir Leben und Ruhe vergraulen konnten. Ausserdem las ich viel – Robert Silverbergs grandioser, 1000 Seiten starker Historienroman ‚Der Herr der Finsternis‘, in welchem der englische Seefahrer Andrew Battell um ca. 1600 von schurkischen Portugiesen gefangen genommen und in ein afrikanisches Gefangenenlager verfrachtet wird. Auf dem schwarzen Kontinent verbringt der Gute dann rund 20 Jahre, die mit allerlei Abenteuer, Betrügereien, Sklavenhandel, vielen Frauen und noch viel mehr Kannibalen ausgefüllt sind.

Mich selbst verschlug es nicht nach Afrika, obwohl es von Mallorca nur knapp 300 geschätzte Kilometer in südlicher Richtung entfernt liegt. Dafür verbrachte ich einen herrlichen, leicht bewölkten Tag im botanischen Garten ‚Botanicactus‘, der im Süden der Insel in der Nähe des Ortes Ses Salines 1987 erbaut wurde. Nebst Mallorquinischer Flora und tropischer Vegetation bestimmen hier vor allem 10’000 Kakteenarten das imposante Bild. Auch gibt es einen künstlich angelegten See, der förmlich zu einem Picknick einlädt. Und wie immer an schönen Orten wie diesem, flogen auch dieses Mal die Stunden und liessen mir an diesem Tag gerade noch Zeit, den südlichsten Punkt Mallorcas zu besuchen: Cap Salines. Eine etwas trostlose Steinlandschaft lag da vor mir, in der Hunderte, wenn nicht Tausende kleinere und grössere Steintürmchen von Touristen wie auch Einheimischen aufgeschichtet wurden. Ständig anbrandende Wellen schufen eine hypnotische Geräuschkulisse – lediglich ein alter Leutchturm im Hintergrund passt meiner Meinung nach nicht recht zu der urzeitlichen Stimmung, die dort herrscht. Ich stelle mir vor, dass dieser Ort bei Sturm eine einmalige Atmosphäre erzeugt.

Und viel zu schnell waren meine Ferien auch schon wieder vorbei. Bis irgendwann, Mallorca!

(vom 01.10.2013) Die Ferne rief – Teil 1

Gepostet am Aktualisiert am

wp15e19c3d_05_06Zuweilen erscheint mir die Zeit, seit ich meinen letzten Eintrag schrieb, nicht länger als einige Momente her zu sein. Dann wird mir jäh klar, dass bereits mehr als ein Jahr vergangen ist, seit ich hier News reingetippt habe. Kann das wirklich sein? Oh ja, es kann.

Der Grund war der lange verspürte Wunsch, zu reisen – und zwar nicht nur bis zum nächsten südlich gelegenen Strand voller eingeölter Leiber, die sich in der Sonne räkeln, um innerhalb einer Woche möglichst knusprig zu werden. Ich wollte weiter weg, fort von den Menschenmassen und hin zu neuen Erfahrungen, Eindrücken und Ideen. Ich suchte Inspiration. Und die fand ich im November 2012 in Patagonien – genauer gesagt in Chile und Argentinien. Mit einer kleinen Gruppe reiste ich in einem gelben Bus namens Frankie während eines Monats durch endlos anmutende Ebenen, in denen lediglich ein wenig braunes Gras und Blumenfelder wuchsen. Ich besuchte mächtige Gletscher, erstieg Berge und sogar den aktiven, von Eis bedeckten Vulkan ’Villarrica’ (mit Steigeisen, Helm, Pickel und Thermounterwäsche!). Weiterhin sah ich Pinguine, exotische Vögel und verweste Rinder am Rande staubiger Schotterstrassen. Ich erkundete Ushuaia, die südlichst gelegene Stadt der Welt, fand herzerwärmende Gemächlichkeit in El Chalten und erlebte schliesslich nach Wochen hypnotischer Ruhe einen Kulturschock im vor Menschenmassen brodelnden Santiago de Chile.

… (to be continued)