Meine 3-Punkte-Regel
Schon vor Jahren begann ich mich zu fragen, wie ich eigentlich darüber entscheide, ob ich ein Buch als gelungen oder als vertane Chance betrachte. Instinktiv weiß jeder/jede, was ihm/ihr gefällt oder nicht, aber dieses Empfinden etwas detaillierter auszudrücken, ist oft nicht einfach. Immerhin stellt ein Buch eine Art Spiegel dar, in dessen Geschichte man eigene Erfahrungen und Gedanken wortwörtlich spiegelt – das kann verwirrend, wenn nicht sogar aufwühlend oder gar rätselhaft sein. Der Leser versetzt sich sozusagen selbst in die Geschichte, was den Spiegelneuronen in unserem Gehirn Futter gibt und eine Art von Lernprozess entfacht (als Einstiegslektüre zum Thema der Spiegelneuronen kann ich Joachim Bauers Sachbuch „Warum ich fühle, was du fühlst“ empfehlen). Nach langjähriger Übung, Eingeständnissen an mich selbst und etlichen Diskussionen mit Freunden, Bekannten und Unbekannten (z.B. in Foren) kann ich eine Geschichte immer besser in ihre Einzelteile zerpflücken und herausfinden, was mir gefällt und was nicht.
Trifft man allerdings einen Bekannten und will sich beispielsweise während der kurzen Zugfahrt zur Arbeit ein wenig über „Wilde Schafsjagd“ von Haruki Murakami unterhalten, kann man niemandem einen Monolog von der Länge einer Präsidentschaftsrede zumuten. Daher kam ich irgendwann auf eine vereinfachte Version meiner vielen Gedankengänge zu Büchern, die auf drei zu bewertenden Punkten beruht: meine persönliche 3-Punkte-Regel für die Literatur. Diese drei Hauptthemen, um es etwas treffender auszudrücken, stellen eine komprimierte und zusammengefasste Form vieler Ideen und Gedanken dar. Empfinde ich nur einen Punkt als gelungen, fällt das Buch bei mir komplett durch. Bücher, die in zwei Punkten auftrumpfen, halte ich für lesenswert. Hat der Autor sogar in allen drei Punkten mein Wohlwollen gefunden, dann halte ich gerade ein Kleinod in Händen, das ich nie wieder vergessen werde.
Und das wären die drei zu beurteilenden Punkte:
Nummer 1: Das Werkzeug oder besser gesagt Sprache und Stil des Autors. Ist das Werkzeug schlecht, dann transportiert es die Inhalte ebenfalls schlecht. Stellen Sie sich ein Steakmesser vor, dessen Klinge stumpf ist. Das zerstört den Genuss des besten Steaks, weil es schnell kalt wird und Sie noch immer keinen Bissen im Mund haben.
Nummer 2: Die eigentliche Geschichte. Interessiert Sie die Geschichte nicht, dann lassen Sie sich auch nicht voll und ganz darauf ein, Sie sind gedanklich nicht bei der Sache und kriegen nur die Hälfte mit.
Nummer 3: Die Charaktere. Sie erlauben es uns, in ihre Haut zu schlüpfen. Je einfacher dieser Prozess ist, desto schneller erleben wir die Geschichte mit und leiden und lieben mit den Figuren. Schwieriger wird es in der Science Fiction bei Außerirdischen, aber wenn der Autor seine Werkzeuge im Griff hat, dann meistert er auch diese Herausforderung.
Wie der Titel dieses Artikels schon sagt, handelt es sich hierbei lediglich um eine persönliche Beobachtung an mir selbst. Probieren Sie die 3-Punkte-Regel ruhig einmal aus, möglicherweise bereitet es Ihnen Spaß und Sie stellen Fragen an einen Roman, die Sie vorher nicht gestellt haben. Das kann manchmal ganz ernüchternd sein, ist aber immer interessant und sorgt für Überraschungen.