Neues Lesefutter von Clive Barker
Es dauert stets lange, bis von Horror-Poet Clive Barker Lebenszeichen zu sehen bzw. zu lesen sind. Im vorliegenden Fall handelt es sich aber nicht etwa um eine neue Erzählung, sondern um die geplante Veröffentlichung zweier alter Novellen, die in einem Buch vereint sein werden: TORTURED SOULS (2001) und INFERNAL PARADE (2004). Die beiden Texte schrieb Barker zu zwei Serien von Action-Figuren, an denen er in kreativen und schöpferischen Belangen beteiligt war.
Inhaltsangabe (Quelle: Buchheim Verlag):
TORTURED SOULS erzählt von der legendären ersten Stadt Primordium, in der das uralte Wesen Agonistes seine Bittsteller durch Magie und Schmerzen einer bizarren, qualvollen Transformation unterzieht.
INFERNAL PARADE berichtet von dem verurteilten Verbrecher Tom Requiem, der die titelgebende Höllen-Parade zur mythischen Stadt Krantica anführt.
Elegant komponiert und witzig erzählt sind beide Geschichten typische Werke des visionären Künstlers und modernen Meisters Clive Barker.
Das Buch wird voraussichtlich im Februar 2020 im noch jungen Buchheim Verlag erscheinen, der sich innerhalb der Horror-Szene einen guten Namen mit hochwertigen, schön bebilderten Büchern erarbeiten konnte. Vorbestellungen können bereits jetzt im Online-Shop des Festa Verlags getätigt werden. Einziger Wermutstropfen: die meiner Meinung nach verachtenswerte Limitierung (999 Stück) und der dadurch entstehende hohe Preis von rund 37 Euro für ca. 180 Seiten (darüber, dass bei Limitierungen das Sucht- und Sammelverhalten von Menschen kalkuliert ausgenutzt wird, habe ich in „Der Abo-Wahn greift um sich“ schon ausführlich geschrieben).
Über einen Sekundäreffekt von Limitierungen, der unbedingt von Verlagsbetreibern beachtet werden sollte, schrieb ich damals noch nicht. Daher hole ich das jetzt nach: Limitationen limitieren gleichzeitig die Möglichkeit, dass ein Autor einen größeren Bekanntheitsgrad erreichen kann. Wenn man sich mal vor Augen hält, was alles dazugehört, damit ein Autor sich gut verkauft, bekannt wird und über Jahre hinweg hochwertige Literatur produziert, dann erscheint es vergleichsweise einfach, eine Rakete ins All zu schießen. Eine gute Geschichte muss es sein, die viele Leser anspricht und einen gewissen Zeitgeist trifft. Werbung hilft massiv. Ein Buch muss an allen möglichen Orten aufliegen, damit möglichst viele Leute es überhaupt erst zu Gesicht bekommen. Positive Reviews müssen in großer Menge publiziert werden. Bei all dem dürfen Motivation und Kreativität des Autors nie abbrechen, denn heute gibt es einen solchen Überfluss an Veröffentlichungen, dass man sehr schnell vergessen wird. Am besten sollte eine Erzählung als Print, Ebook und Audiobook erscheinen, und wenn dann auch ein Hörspiel produziert wird … umso besser. All diese komplexen, vor allem aber über weite Strecken unberechenbaren Dinge können nicht garantieren, dass ein Roman zum Bestseller und der Autor zu einem bekannten Autor wird.
Um beim Vergleich mit der Rakete, die ins All geschossen wird, zu bleiben: Wenn ein Verlag auf Limitierungen setzt, dann ist das in etwa so, als ob man entscheidet, die Rakete nur mit halbvollem Tank zu starten. Verlage wie Festa, Edition Phantasia oder eben Buchheim sabotieren sich dabei aber nicht selbst, denn es gibt ja genügend Fans, die ihre limitierten und signierten Bücher selbst für die haarsträubendsten Preise kaufen. Sie sabotieren auf lange Sicht den Künstler. Eine winzige Auflage trägt nichts dazu bei, dass neue Leser gefunden werden können (das Geld, das ein Autor für 1000 verkaufte Exemplare erhält, ist kaum ein Monatslohn). Limitierung hilft vor allem dem Verlag und bedient den Fan. Damit mich niemand falsch versteht: Grundsätzlich schätze ich die oben genannten Verlage. Sie haben einiges in der Szene bewirkt und ich besitze zwangsläufig viele ihrer oft teuren Veröffentlichungen. Aber jedes Mal, wenn ich ein limitiertes Buch erstehe, ist da ein bitterer Nachgeschmack mit dabei. Ich muss unnötig viel Geld ausgeben, das Buch steht nach der Lektüre jahrelang im Regal und verstaubt, ich kann meinen Kumpels nicht davon erzählen, weil es längst vergriffen ist, und zu all dem geht der Großteil des Geldes nicht einmal an den Künstler, der es eigentlich verdient hätte.
Falls du, lieber Leser, Clive Barker noch nicht kennst, jetzt aber neugierig geworden bist und etwas von ihm lesen willst, dann schlage ich folgendes vor: Verzichte auf TORTURED SOULS und INFERNAL PARADE. Kaufe dir anstelle dessen die folgenden beiden Bücher von ihm: CABAL und GEWEBTE WELT als Taschenbuchausgabe der Edition Phantasia. Diese beiden Titel sind im normalen Buchhandel oder bei jedem Onlineversand erhältlich, kosten zusammen in etwa so viel wie das neue Buch mit den beiden Novellen und bieten auf über 900 Seiten unvergessliche Horrorlektüre. Und wenn du dann richtig scharf auf Barker geworden bist, besorge dir die sechs BÜCHER DES BLUTES (Kurzgeschichten), DAS HAUS DER VERSCHWUNDENEN JAHRE (zur Zeit nur antiquarisch erhältlich) und all die anderen Werke dieses Ausnahmekünstlers. Du wirst es nicht bereuen.