Das langsame Sterben kommerzieller Trägermedien und die Folgen (Teil 2)

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Wie ich eingangs von Teil 1 erwähnte, wurde zu den (psychologischen, sozialen, ect.) Folgen der allgegenwärtigen Digitalisierung unserer Welt schon sehr viel Intelligentes geschrieben – der geneigte Leser kann hier auf einen reichhaltigen Fundus an Sachbüchern zurückgreifen. Das alles an dieser Stelle in kurzer, komprimierter Form wiederzugeben erscheint mir ob der Komplexität des Themas aber unsinnig. Allerdings gibt es da eine Folgeerscheinung, über die ich noch nirgendwo gelesen habe, und auf die will ich eigentlich hinaus: das mit der zunehmenden Digitalisierung einhergehende Sterben von Fachläden und die damit verbundenen sozialen Beschneidungen.

Wenn ich an meine Jugend in den frühen 80er Jahren denke, erinnere ich mich nebst vielem anderen mit einer angenehmen Portion Wehmut an die vielen Samstag Nachmittage in den Indie-Plattenläden Zürichs. Ich ging dort oft mit zwei oder drei Freunden hin, um ein Dutzend Platten aus den Regalen der Sparten EBM, Gothrock und Industrial zu holen, sie anzuhören um schlussendlich ein ausgesuchtes Werk zu kaufen – für mehr reichte das Taschengeld nicht. Das war aber nur die eine Hälfte der ganzen Aktion. Viel wichtiger waren die unzähligen Diskussionen über Bands und Musiker, ihre oft geheimnisvollen Ursprünge und Einflüsse, den künstlerischen Wert ihrer Musik, was die Stücke in uns auslösten und so vieles mehr. Erwachsene Verkäufer, Freunde, andere Kunden … es fand oftmals ein reger, bereichernder Austausch an Wissen und Meinungen statt.

Einige (nicht viele) Jahre später entdeckte ich (ebenfalls in Zürich) ein Spezialgeschäft für Horrorfilme, Exploitation und asiatisches Kino – damals noch auf VHS und Laserdisc, etwas später dann gestellte sich die DVD hinzu. Wie schon in den Plattenläden ging ich auch hier mit Freunden ein und aus, wir trafen Verkäufer und andere Kunden, von denen einige gute Kumpel werden sollten und mit denen ich auch heute, sage und schreibe 25 Jahre später, noch gelegentlich Kontakt habe. Wir sprachen über die Glaubwürdigkeit von Schauspielern und Filme, die Vorteile von handgemachten Spezialeffekten, verbotene obskure Werke und die Sinnlosigkeit des Verbots, wir gaben uns gegenseitig Tips, wenn es darum ging, rare Filme aufzutreiben. Damals gab es noch kein allgegenwärtiges Internet, wir wir es heute kennen, wir mussten zu Fanzines greifen und Briefe schreiben, um an begehrte seltene Filme zu kommen. Oft kamen wir uns bei diesen Besorgungsaktionen wie Indiana Jones vor, der sich durch einen dichten Dschungel zum begehrten Schatz vorkämpft.

Das gleiche wie für Platten- und Filmshops galt natürlich auch für Buchläden, Comicshops und Spielgeschäfte, in denen sich Gleichgesinnte trafen und einen regen Austausch pflegten. Dass man hin und wieder auch Idioten traf, versteht sich von selbst und kann als die Würze in der Suppe betrachtet werden. Die Sache ist aber die, dass auch solche nervenden Begegnungen bereichernd waren (und es natürlich auch heute noch sind), wenn man sich nur anhört, was das Gegenüber zu sagen hat.

Gehe ich heute durch Zürich, sind fast alle Spezialgeschäfte weggestorben, sind Kleider- und Fressläden (man verzeihe mir den abschätzigen Ausdruck) gewichen. Ein Geschäft sieht wie das andere aus, und oftmals sind die Verkäufer zwar gute Verkäufer, haben aber keine Ahnung von den Hintergründen der Dinge, die sie da verkaufen. Leidenschaft, eine Philosophie, schlicht Interesse ist da nur selten zu finden; es existiert, so scheint mir, nur noch der Drang, den neuesten kurzfristigen Trend zu setzen, der ein oder zwei Jahre richtig viel Kohle abwirft. Und so kommen und gehen gesichts- und charakterlose Läden, in denen kein sozialer Austausch mehr zu finden ist. Eine Einkaufsstrasse sieht wie die andere aus.

Wie gehören nun Trägermedien und Fachgeschäfte zusammen? Was bringt die Zukunft? Und gibt es noch eine Chance für uns hoffnungslose Romantiker, die Fachgeschäfte als kleine, soziale Oasen betrachten? Mehr dazu in Teil 3.

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