Ein Bisschen Geschichte verschwindet
In der Nähe der Wohnsiedlung, in der ich lebe, stand seit Menschen gedenken ein maroder, zerfallener Schuppen, der älter als die Menschheit zu sein schien. Entdeckt hatte ich ihn irgendwann, als ich vor über 30 Jahren noch zur Schule ging und mir in meiner kindlichen Fantasie ausmalte, welche ungeheuerlichen Vorgänge sich im Innern wohl abspielen mochten. Den Mut, einmal hineinzuschauen, hatte ich – wie auch viele andere Schulfreunde – nicht, und so blieb die Wahrheit ein Geheimnis. Aber was ist schon die Wahrheit gegen Hexen, entflohene Mörder, Geister und verborgene Laboratorien des Militärs unter diesem Schuppen, der natürlich nur Tarnung war!
Jetzt, so viele Jahre später, wurde dieser herrlich mysteriöse Ort Opfer einer Sanierung des kleinen Strässchens, an dem er stand. Weder weiss ich, wem dieses Bauwerk eigentlich gehörte, noch wie es tatsächlich im Innern aussah. Ich bin mir aber sicher, dass die etwas Mutigeren unter uns Schulkindern damals im Innern heimlich an ihrer ersten Flasche Bier genuckelt hatten, vielleicht das erste mal den Mut fassten, mit zittrigen Fingern unter das T-Shirt der Freundin zu greifen oder einfach nur in gemütlichem Beisammensein über Superhelden, Wrestling und ‚Die drei ???‘ quatschten. Ein kleines Bisschen Geschichte ist von heute auf morgen verschwunden, und nur wenige werden sich daran erinnern. Mir aber bleibt dieses gedrängte, düstere Gebäude für immer als ungelöstes Geheimnis erhalten. Und früher oder später werde ich ihn einmal in einer Geschichte oder einem Roman einbauen.
Tschüss Schuppen … du warst ein fremdartiger, bedrohlicher, aber auch guter Freund!